VISIONSSUCHE MIT HUMOR

oder WINDIG MIT AUSSICHT AUF BOHNENEINTOPF

von Sandra Leis

Wo sehen Sie sich in 5 Jahren? Immer schon war mir diese brenzligverfängliche Entblößungsfrage in Bewerbungsgesprächen und Mitarbeiterinterviews zuwider. So einfallslos wie berechnend. So konstruiert wie unkreativ. So an der Individualität des Menschen vorbei wie hin zum „Sind die gesteckten Lebensziele des Lohnempfängers mit der leistungsorientierten Profitgier der modernen Gesellschaft kompatibel“. Dementsprechend trivial und schabloniert fallen wohl letztendlich die oft aus der „Diese Antworten sollten sie parat haben – Fibel für den konformen Arbeitnehmer“ stammenden Zukunftsvisionen aus. Selbstverständlich nehme ich hier all jene Personalchefs aus, die diese Frage aus herzlichem Interesse stellen und jene Arbeitnehmer, die es einfach lieben, sich ein gewünschtes Zukunftsbild bunt auszumalen. Ich persönlich fand es hingegen immer schon unheimlich stressig, ständig ein gesetztes Ziel vor Augen haben zu müssen, um als rentabel oder „erfolgreich“ eingestuft zu werden.

Doch ganz abgesehen von den hier auf Erden erworbenen Berufen wurde jedes Geschöpf bereits mit einer integrierten Beruf-ung in diese Welt gepflanzt. Unser aller gemeinsamer universeller Auftraggeber ist niemand geringerer als die Schöpfung selbst. Mit unseren Talenten und Gaben sind wir – von wo auch immer – gesandte Friedensstifter des großen Ganzen. Doch, seien wir ehrlich, von diesen heilsamen Mitbringsel profitiert die Schöpfung Null komma Null, wenn sie nicht von erwachten Herzensberufenen gesehen, gelebt, geliebt und gepflegt werden. Auf kreativste Art werden wir zeitlebens immer wieder an unsere Aufgaben erinnert, sobald wir uns vom aufgetragenen Herzensweg entfernen. Es werden uns Symbole, Hinweisschilder und Wegweiser zum Drüberfallen aufgestellt, Begegnungen mit Menschen, Tieren, Orten, Pflanzen usw. inszeniert oder spürbare Botschaften der ungehörten Seele an unseren Körper geschickt. Erst immer sanft, doch wenn wir die Signale über einen längeren Zeitraum nicht wahrhaben wollen, kommen die Warnzeichen oft laut und schmerzhaft in Gestalt von aufrüttelnden Ereignissen oder Krankheiten, die wir als Unglück oder Schicksal interpretieren. Das Kleid der Erinnerung an unsere Seelennatur ist so vielfältig und bunt wie das Leben selbst.

In Zeiten der Orientierungslosigkeit und des Wandels, des Nebels und der Aussichtslosigkeit, der Stagnation und Schwäche, der Verzweiflung und des Schmerzes, der vielen offenen Fragen unserer Seele…..bietet uns die Schöpfung ein unverbindliches, aber naturverbindliches Mitarbeitergespräch zur Klärung an. DIE VISIONSSUCHE.

Für unsere indigenen Vorfahren war das Ritual der Visionssuche ein heiliger Akt, mit der Seelennatur im Innen und Außen in Kontakt zu treten. Beginn und Ende der Heilzeremonie wurden in bewusster Achtsamkeit zelebriert und boten einen geschützten Rahmen für alle in der Visionszeit ablaufenden Sterbe- und Wiedergeburtsprozesse.

In diesem Sommer nahm auch ich endlich die schon längst im Raum schwebende Einladung zu einem Mitarbeiterinterview an. Die an mich gerichteten Fragen wurden mir vorab als Eingebung geschickt und waren sehr konkreter Natur: „Wie kannst du deine Talente, Gaben und Kräfte bündeln, um sie gezielter einzusetzen?“ und „Wohin setzt du deine nächsten Schritte in deinem Leben?“

Ich fühlte die Antworten schon in mir. In Gestalt eines Visions-Samens. Das sind jene Samen, die jeder von uns zahlreich in sich trägt. Es sind jene intelligenten Samen, auf deren DNA-Doppelhelix die Antworten aller Fragen dieser Welt in Code´s verschlüsselt gespeichert sind. Es sind jene geduldigen Samen, die nur darauf warten, bis ihre Zeit zum Aufbrechen und Keimen reif ist, um uns unsere innewohnenden Antworten als gedeihfreudige Pflänzchen zu offenbaren.

Nun hatte ich aber eine Gegenfrage: „Liebes Universum, wie läuft das nun mit dem Visionen suchen. Wie kann ich am schnellsten Antworten auf deine Fragen finden.“

Die Antwort kam prompt: „Ganz easy! Suche dir einen Platz in der Waldnatur, am besten in der Buckligen Welt in Niederösterreich bei den lieben Birnbaumers (www.weltenkessel.at). Reinige und befreie dich zuerst rituell in der selbstgebauten Schwitzhütte gemeinsam mit deinen ebenfalls dann an-wesen-den visionssuchenden Mitkollegen und begib dich im Anschluss alleine intuitiv zu einem Hain des Vertrauens. Verweile dort sitzend, stehend oder liegend 3 Tage und 2 Nächte. Ohne Nahrung, wenn du möchtest auch ohne Wasser, ohne Handy sowieso. Da du eine Zivilisationsprinzessin bist, erlaube ich es dir eine Unterlage und einen Schlafsack mitzunehmen. Verbinde dich dort an Ort und Stelle mithilfe der dich umgebenden Natur, deinen mitgebrachten Skills und mentalen Werkzeugen, mit deiner Wesensnatur. Der Samen der Zukunft wird keimen und die Antworten bereitwillig freigeben.“

Okay, die Profi-Visionssucher unter euch werden jetzt die Augen verdrehen. Sind sie doch wissend, dass eine ernstzunehmende Vision-Quest mindestens ganze 4 Tage andauert. Ohne auch nur irgendwas im und am Leib. Abstinenz von jeglicher flüssiger und fester Nahrung und auch Schlaf. Es wird alles Mögliche und scheinbar Unmögliche unternommen, um in einen Bewusstseinszustand zu gelangen, der auch noch die entfernteste Zelle, für alles was eindringen mag, öffnet.

Na ja, Kismet! Ich hab halt einen guten Draht nach oben. Mir wurde die abgespeckte Variante angeboten.

Meine größte Sorge war nie die des kraftzehrenden Hungerleidens, nie die der schmerzhaften Handyentzugssymptome, sondern die des Versagens meine Intuitionstalentes. Was ist nur, wenn ich keinen geeigneten Platz finde, der mich für meine Visionssuche beherbergt?

Nun gut, diese Ängste hätte ich mir echt sparen können. Nach der schweißtreibenden Zeremonie im nachkonstruierten Bauch der Mutter Erde, in der bereits viele verklebte Schichten des Zivilisationsmülls weggeschmolzen sind, begab ich mich erleichtert auf den Weg zu MEINEM Platz, der MICH liebevoll in seinen Bann zog. Es war eine kontaktfreudige Ulme, die meiner Platzsuchnot ein frühes Ende bereitete. War eigentlich eh sonnenklar. Bin ich doch mit der Ulme schon sehr gut befreundet, ich surfe quasi auf ihrer Baumwellenlänge. Ich schlug mein imaginäres Zelt ein paar Meter von der Ulme entfernt auf, da ich der kommunikativen Dame Aug´ in Aug´ gegenüber sitzen wollte. Da die Äste und Blätter der Ulme wie Antennen fungieren, war die optimistische Aussicht auf ein visionäres Fernsehprogramm in meiner Waldzeit durchaus realistisch.

Ziemlich schnell war gewiß, dass ich mir einen Sitzplatz mit ausgeprägter LUFT-Qualität auserwählt hatte. Ich saß inmitten einer Horde quirliger Haselgemüter, dazwischen unzählige neugierige Hänsel & Gretel-Pärchen, geschmückt mit federfeinsinnigen Farnelfen. Nicht weit vom Platz entfernt eine kampfsprungfreudige Springkraut-Formation als schützende Abgrenzung zum Forstweg. Zum Glück hielt die mächtige Buche hinter mir die windigen Gesellen im Zaum. War echt keine einfache Aufgabe! So saß ich nun als menschlicher Luftikus im Zentrum eines chaotischen Pflanzenhaufens. Na super, wie sollte ich in diesem Gewusel eine Antwort auf die Frage nach Konzentration meiner Talente finden?

Ein Blick zur rechten Seite beantwortete mir meine Frage wie ein Kugelblitz. Direkt neben meinem Sitzplatz, ich lüge nicht, wirklich ein paar Zentimeter neben mir lag ein unscheinbarer Holzpfeil. Er traf mit voller Präzision mitten in meinen Visionssamen und ließ den Keim der Erkenntnis mit einem lauten AHA sprießen. Wie einfach doch manchmal komplexe Lebensfragen beantwortet werden können. Wie naheliegend doch Lösungen sein dürfen. Was ist wohl zielgerichteter als der Akt des Bogenschießens? Wo kann man besser ein Ziel anvisieren und ins Schwarze treffen lernen als beim Bogenschießen? Wo ist es besser möglich, seine Sinne zu bündeln und die höchste Kraft der Spannung in die Erlösung bringende Spannung zu transformieren? In der Kunst des intuitiven Bogenschießens. Danke Universum, danke Natur für die Beantwortung meiner Frage. Und danke, dass ich mir bereits vor einigen Jahren einen eigenen Bogen gebaut habe. Stets einsatzbereit!

Nun konnte ich mich mit Hilfe der Natur der nächsten Frage widmen: „Wohin setzt du deine nächsten Schritte in deinem Leben?“ Auch diese Frage wurde mir rasch beantwortet. Ich stand von meinem Platz auf, hob den linken Fuß an und richtete die Frage in den Raum. Mitleidiger Blick des Raumes nebst der süffisant-amüsierten Antwort: „Du stellst unglaublich doofe Fragen. Natürlich genau da, wohin es dir Spaß macht.

Hm, wie wahr. Und wieder so einfach. Wo geht´s eigentlich hin? Na, genau dorthin darf es gehen, wo wir die meiste Freude im Herzen verspüren. Ein anderes Ziel brauche ich für mich in diesem Leben nicht verfolgen. Denn die Freude meines Herzens führt mich immer genau dorthin, wo ich richtig bin.

Puh, so easy habe ich mir meine erste Visionssuche nicht vorgestellt. In kürzester Zeit waren meine Fragen beantwortet. Und das ganz ohne Drama. Mit Leichtigkeit. Ich hätte auf der Stelle nach Hause gehen können. Warum blieb ich dennoch im Hain des Friedens, der Freude, der Leichtigkeit, der Liebe? Weil ich mit noch zwei weiteren Intentionen in diese Visionssuche gegangen bin:

1. Erfüllung meines schon lange gehegten Wunsches, meiner tiefen Sehnsucht nach Stille, Ruhe, nach einfach nur SEIN ohne Ablenkungen, nach Freiheit, nach wahrnehmen, intuitiv spüren, vertrauensvoll der Natur hingeben, verschmelzen, EINS WERDEN….

2. Für die Natur. Ich wollte mich auf diese intime Art und Weise bei der Natur, die uns geboren hat, bedanken. Ich wollte mir endlich einmal Zeit nehmen, ihr meine vollste Aufmerksamkeit zu schenken, Ich wollte ihr ohne Eigennutz zeigen, wie wichtig mir ihr Wohl und Heil ist.

Die „langweiligen“ Stunden in der Natur für euch nun im Zeitraffer: viel nachholbedürftiger Schlaf, AHA-Erlebnisse am laufenden Band, immer wieder die Frage, was ich mir da eigentlich antue, Angst, von einem Wildschwein gefressen zu werden, Vision eines Astes, der sich in der Dämmerung zu einem Chamäleon verwandelte, eine hochnäsige Ulme, die mich nicht ernst genommen hat.

Auszug aus meiner Unterhaltung mit der Ulme: „Liebe Ulme, du bist doch so fühlig. Deine Äste sind wie Radar-Meßgeräte. Sag mir doch, wie das Wetter wird.“ „Liebe Sandra, ja du hast recht, ich könnte dir sagen, wie das Wetter wird. Aber ich tu´s nicht. Du weißt es nämlich selber. Du kannst alles genauso erfühlen wie ich. Du brauchst dich nur ein bisserl zu bemühen.“

Passend zu meiner luftdominaten Unterkunft schickte mir der Wetterbeauftragte richtig viel Wind. Kalt, aufwirbelnd, mich lehrend, auch bei den stärksten Stürmen in meiner Kraft zu bleiben. Die Aussicht auf den angekündigten Bohneneintopf im Basislager nach der Auszeit im Wald richtete mich immer wieder auf:).

Übrigens: Eine Nacht vor meiner Waldzeit war ich in einem Zimmer eingemietet. An einer Zimmerwand stand folgender Spruch: „Suche nicht das was dir fehlt, sondern genieße das was du hast.“ Kann dies Zufall sein oder womöglich ein vorzeitiger Schuss ins Schwarze.

Alles Liebe, Sandra